HEYMWERKER
DER BESONDERE MODELLBAU

Die Automodelle der Gebrüder Heym - wie alles begann...

[Text: Matthias Heym]

Es könnte im Jahre 1979 gewesen sein. Matthias elf und Michael fünf Jahre jung. Wie die meisten kleinen Jungen in diesem zarten Alter von Autos fasziniert. Der Fuhrpark im Kinderzimmer bot so ziemlich alles, was das Kinderherz begehrt. Als da waren die schönen Plaste-Autos der bekannten DDR Fahrzeugtypen. Der Barkas B 1000, der Trabant, der Wartburg, der Skoda und was es nicht alles sonst noch gab. 

Dazu gesellten sich auch hin und wieder das eine oder andere Matchbox-Auto, welches durch Großeltern und Verwandte aus dem nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet importiert wurde.

Was haben die beiden nun damit gemacht? Das, was man eben so tut als Kind, wir haben damit gespielt. Nun gab es da aber ein kleines Problem. Die schicken Autos fuhren zwar auf den imaginären Straßen durch die elterliche Wohnung, aber da waren noch die Spielzeugfigürchen. Irgendwie war es nicht möglich, die lustig ihre kleinen Zigaretten paffenden Mäcky (aus heutiger Sicht pädagogisch wohl eher ungeschickt) und die aus dem Westen eingewanderten Schlümpfe, in diese Autos zu setzen. 

 

Die Matchbox Modelle waren dafür viel zu klein, der Plaste Barkas zwar groß genug im Verhältnis, aber die Türen! Die blieben zu! Wenn der kleine gedachte Motor streikte: der Schlumpf stand hilflos vor dem Auto und konnte nicht nachsehen, die Motorhaube ging einfach nicht auf.

Völlig unbefriedigend, war Matthias´ Meinung. Michael war´s zu dieser Zeit noch ganz egal, das sollte sich später aber ändern. Erste Versuche den West-Schlümpfen das Einsteigen in das DDR-Spielzeug zu ermöglichen, schlugen unerwartet fehl. Die Kunststoffkarosserien ließen sich nicht so ohne weiteres bearbeiten. Zumindest für elfjährige nicht. Es musste also etwas anderes her. So kam es, dass eines Tages die allen „DDR- Geborenen“ wohl vertraute Kinderzeitschrift FRÖSI (für uneingeweihte: das Kürzel für Fröhlich sein und singen, nach einem zeitgenössischen Kinderlied) die Initialzündung gab. In einer Ausgabe war in Form einer Quaderabwicklung ein Auto zum Ausschneiden und Zusammenkleben abgedruckt. An einem nicht mehr zu datierenden bedeutungsvollen Tage Ende der 1970´er also, griff nun Matthias zur Schere und schnitt den Bastelbogen aus. Das erste selbst gebastelte Auto nahm Formen an. Das Material – Papier, der Kleber – Duosan Rapid! Diese beiden Grundrohstoffe sind noch heute die Basis eines jeden Modells. Fertig!

Aber die Türen ließen sich immer noch nicht öffnen, genauso die Motorhaube und der Kofferdeckel. Noch schlimmer, die Räder dieses Autos waren Bestandteil der Karosserie und drehten sich nicht.

Das Papierauto musste umgebaut werden! Und das ging dank Papier und Duosan ganz gut.

Die Türen wurden aufgeschnitten und ließen sich nun aufklappen. Ein Boden wurde zusätzlich eingeklebt, die Fenster ausgeschnitten und schon stand der erste Schlumpf auf dem Beifahrerplatz. (Sitze gab es später!) Der Räucher-Mäcky hinterm Steuer! Einfach aber trotzdem gut, jedoch nicht gut genug.

Zu diesem Gefährt gesellte sich alsbald ein zweites, es dauerte nicht lange ein drittes und so weiter. Allen Autos war gemein: sie waren einfach konstruiert, Produkte der kindlichen Phantasie und zum Spielen gemacht. Keines dieser frühen Modelle hat das überlebt. Deshalb wurde fleißig weiter gebastelt. Und entwickelt.

Die ersten verglasten Autos wurden gebaut, als Klarsichtfolien von Verpackungen als geeignetes Material entdeckt wurden. Inneneinrichtungen wie Sitze, Armaturenbrett und Lenkrad wurden eingebaut. Anfangs sehr primitiv, von Mal zu Mal aber immer besser und detaillierter. Nur die Räder waren noch lange Zeit an die Karosserie geklebte Pappscheiben.

Um wenigstens einen breiten Reifen zu bekommen, wurden Flaschenkorken in Scheiben geschnitten und angeklebt. Aber auch damit wollten wir uns nicht zufrieden geben. Das erste Papierauto rollte etwa 1981 über den Teppich im Wohnzimmer. Die Konstruktion: das Kunststoffröhrchen eines Wattestäbchens bildet die starre Achse, welche in einem Trinkröhrchen läuft. Als Räder wurden Korkscheiben verwendet, welche furchtbar eierten, da das Loch nie genau mittig gebohrt werden konnte und die Durchmesser dieser Räder immer unterschiedlich waren.

Diese ganze Bastelei begeisterte Matthias so sehr, das er unbedingt der Meinung war, das muss Michael auch machen! Doch der sah das anders und sträubte sich anfangs doch gar sehr. Aber nicht lange.

Das Bastelfieber ergriff nun auch den zweiten Heym, so wurden die „Heymwerker“ daraus.

Sein vermutlich erstes selbst gebasteltes Auto (1980!) existiert heute noch, zwar vom Spielen gezeichnet, aber immerhin (siehe Deyta-LKW). Wie an eben diesem Modell sehr gut erkennbar, haperte es noch an vielen Dingen, welche die heutigen Modelle kennzeichnen. Zum Beispiel die Lackierung.

In den Anfängen kann man davon eigentlich gar nicht sprechen. Die Spielmobile der Kindertage wurden mit Filzstiften oder Wasserfarben angemalt. Beides taugte nicht. Die Filzstiftbemalung verblich und war immer streifig; die Wasserfarben, der größte Feind der Papierkarosserien, ließen die Autos wellig werden und färbten furchtbar ab. Um dem Abhilfe zu schaffen, wurde mit Nitrolack experimentiert. 

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Das war schon besser, aber immer noch nicht nach unseren Vorstellungen.


Im Laufe der Zeit, Michael bastelte mittlerweile nun aktiv mit, wünschten wir uns Fahrzeuge mit noch komplizierteren Karosserieformen und sahen uns vor großen Schwierigkeiten. Geschwungene Teile, wie freistehende Kotflügel von Vorbildern aus den 1930´er Jahren beispielsweise, oder Pontonkarosserien der 1950´er waren das Ziel, aber noch nicht machbar.

Am Beispiel des Rolls Royce Phantom gut zu erkennen, wie es nach unseren damaligen Möglichkeiten umgesetzt wurde. Dieses noch existierende frühe Modell (Auto Nr.: 41) rollt übrigens ziemlich exakt mit Rädern, welche einem gekauften Plaste-Auto abmontiert wurden. Auf diese Weise wurde das Problem der angeklebten Pappscheiben und der eiernden Korken-Räder gelöst. So ist auch erklärbar, wie es zu unserem Maßstab von 1/23 kam. Die handelsüblichen Autos, deren Räder verwendet wurden, waren meistens 1/24. Jedoch war der Nachschub für diese Art rollender Räder begrenzt. Verständlicherweise wollten und konnten unsere Eltern gar nicht so viele Spielzeugautos kaufen, wie wir Räder für unsere Modelle hätten brauchen können. Also mussten wir uns wieder etwas einfallen lassen.

Klebt man mehrere Kreise aus Pappe übereinander, erhält man je nach Stückzahl, mehr oder weniger breite und stabile Räder! Der Zirkeleinstich markiert die Bohrung für die Achse und exakt gebohrt, läuft das Rad auch ganz gut rund! Die Idee wurde in die Tat umgesetzt und die Zeit der ausgeweideten Plaste-Modelle war vorbei.

Später, mit Hilfe von einfachen Vorrichtungen und einem Schleifbock, wurden die Laufflächen der Räder geschliffen, was einen exakteren Rundlauf und eine bessere Optik zur Folge hatte.

Was das Ausschneiden der Pappkreise jedoch für die Hände bedeutete, kann man bei den Trucks sehr gut nachvollziehen. So verfügt beispielsweise der Kenworth K-100 (Modell Nr.: 67) über 14 Reifen, von denen nochmals 6 Stück mit einem größeren Loch versehen werden mussten, um Felgen einbauen zu können. Das macht summa summarum 212 Pappscheiben! Lediglich gummibereift konnte noch nicht hergestellt werden. Das wurde erst Mitte der 1990´er Jahre mit Hilfe entsprechender Materialien (Moosgummi) und Maschinen (Minidrehbank) möglich.

Nun gehört zu einem richtig guten Modellauto natürlich auch die Raffinesse im Detail.

So experimentierten wir mehr und mehr mit den verschiedensten Materialien und entwickelten im Laufe der Zeit einen Blick für verwendbares. Es wurden klarsichtige Kunststoffverpackungen für Tabletten zu Scheinwerferstreuscheiben, die gläsernen Verschlusskügelchen unserer Tintenpatronen gaben die Glühbirnen für Scheinwerfer, im Nachgang mit Chromeffektlack behandelte Gardinenstoffe wurden zu Kühlergittern.

Aus den einfach auf und zu klappbaren Türen entwickelten sich Hauben und Türen mit Schiebeverschlüssen. Die Möglichkeit diese auch nach dem Original-Vorbild mit Scharnieren zu versehen, welche die Tür von der Karosserie beim Öffnen wegschwenken, wurde von Michael Heym zum ersten Mal am Cadillac Eldorado, Auto Nr.: 59, realisiert. Ebenfalls hat er die ersten Modelle mit schwungvollen Karosserien gebaut!

Seine Methode: über verschiedene Konturpunkte, die im Querschnitt einer Karosserie liegen, werden Papierstreifen in mehreren Lagen geklebt, verschliffen und lackiert. Dadurch erhält das Ganze eine relativ hohe Steifigkeit (Auburn Speedster, Auto Nr.: 70).

Ein anderer Weg zu ungeahnten Formen: Über Konturschablonen modellierte Pappmaché. Die heute verfügbaren Materialien, welche der gut sortierte Bastelfachhandel bereitstellt, machen es möglich.

Diese sind lufttrocknend und schleifbar, lassen sich sägen und bohren und selbstverständlich lackieren (Modelle: Armstrong Siddley, Auto Nr.: 77; ODIN Standart, Auto Nr.: 79; Kustom Pick up, Auto Nr.: 80; AWZ P 70 Limousine, Auto Nr.: 84).

Das heutige Niveau der Automodelle von Matthias und Michael Heym ist aufgrund der Materialvielfalt und der Werkzeugtechnik aber auch der gesammelten Erfahrungen mit den ersten Papierautos nicht mehr vergleichbar. War damals in den Kindertagen ein Auto bereits innerhalb weniger Stunden fertig, sind jetzt mindestens 100 Stunden und mehr nötig.

Was gleich geblieben ist, sind die Grundmaterialien Papier, Pappe, Duosan Rapid und natürlich der Spaß an der Sache!